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07.04.2022

Sperren von RT und Sputnik: Umsetzung in Österreich lässt viele Fragen offen

Die Umsetzung der EU-Sanktionsverordnung, die heute im Parlament beschlossen wird, lässt österreichische Internetanbieter ratlos zurück. Denn nachdem auf EU-Ebene beschlossen wurde, die russischen Staatsmedien RT und Sputnik in Europa jedenfalls teilweise zu sperren, müssen auch Internetanbieter deren Webseiten blockieren – allerdings ohne eine klare Bestimmung, welche Webseiten genau davon betroffen sind und in welcher technischen Form diese blockiert werden müssen. Das hätte in der nationalen Gesetzgebung präzisiert werden können.

Harald Kapper, Präsident der ISPA (Internet Service Providers Austria), sagt dazu: „Nachdem weder das Gesetz noch eine Behörde das klar festlegen, müssen jetzt also Internetanbieter anhand der Verordnung interpretieren, welche Webseiten tatsächlich gesperrt werden sollen. Das heißt, dass private Unternehmen gezwungen werden, hoheitsrechtliche Entscheidungen zu treffen, die sonst zurecht dem Staat vorbehalten sind. Das ist nicht nur eine Zumutung für die Unternehmen, es ist auch eine Gefahr für die Meinungs- und Informationsfreiheit – und eine grundlose noch dazu, in Deutschland gibt es ja sehr wohl eine klare Liste der zuständigen Behörde vorab, welche Seiten betroffen sind. Dass die österreichischen Internetanbieter sich jetzt u.a. an der deutschen Liste orientieren müssen, ohne damit die nötige Rechtssicherheit zu gewinnen, ist absurd.“

ISPA-Präsident Harald Kapper: „Bei Strafdrohungen von bis zu 50.000 Euro muss doch zumindest vorher geklärt sein, was überhaupt unter Strafe steht. Kafka hätte seine Freude gehabt.“

Dazu kommt, dass im Gesetz nicht einmal technisch geklärt ist, wie diese Sperren erfolgen sollen. Es können nämlich entweder die Domains oder die IP-Adressen der betreffenden Webseiten blockiert werden. Blockiert man IP-Adressen, besteht die Gefahr, dass damit auch zahlreiche legale Webseiten blockiert werden, die die gleiche IP-Adresse haben, das sogenannte Overblocking. „Die Internetanbieter müssen also entweder das Risiko eingehen, dafür bestraft zu werden, dass sie völlig legale Webseiten als Kollateralschaden des Krieges mitblockieren, oder dafür bestraft zu werden, dass zu wenig umfangreich blockiert wurde. Im schlimmsten Fall könnten ein Unternehmen sogar beide Strafen gleichzeitig ereilen. Kafka hätte seine Freude gehabt“, sagt Kapper.

Das einzig Positive für die ISPA ist, dass immerhin die zuständige Behörde nun nicht mehr die vielen einzelnen Bezirksverwaltungsbehörden sind, sondern mit der KommAustria eine zentrale Behörde – die allerdings auch keinen gesetzlichen Auftrag erhält, eine für Rechtssicherheit sorgende Sperrliste zu erstellen. „Aus Sicht der Provider wäre allerdings die für Telekommunikationsagenden zuständige TKK inhaltlich näherliegend gewesen, entscheidet diese doch auch bei eventuellen Strafen der Verletzung der Netzneutralität.“

Kapper: „Bundesregierung muss Gesetz nachschärfen und Kosten ersetzen.“

Es ist bei aktuellem Stand also niemand dazu befugt, inhaltlich vorab zu entscheiden, welche Webseiten konkret von den Sanktionen umfasst sind, allerdings droht bei Verstößen in die eine oder andere Richtung jedenfalls eine Strafe. Kapper sagt: „Das ist so, als würde man beim Autofahren für zu hohe Geschwindigkeiten bestraft, aber was das Tempolimit ist, erfährt man erst, wenn die Polizei einen aufhält. Bei Strafdrohungen von bis zu 50.000 Euro muss doch zumindest vorher geklärt sein, was überhaupt unter Strafe steht. Das letztlich auf die Gerichte abzuwälzen ist eine Kompetenzauslagerung des Gesetzgebers. Das Risiko tragen allerdings die Unternehmen. Wir fordern die Bundesregierung dazu auf, hier dringend nachzuschärfen.“

„Und dann gibt es noch ein zweites Problem: Damit müssen die rund 400 Internetanbieter in Österreich die dafür nötige Zensur-Infrastruktur neu errichten. Wenn es diese Infrastruktur erst einmal gibt, könnte es in Zukunft leicht auch Zensur-Begehrlichkeiten für geringere Zwecke geben. Davor warnen wir eindringlich, denn hier geht es um Grundrechte. Doch auch abseits dieser grundsätzlichen gesellschaftspolitischen Frage verursacht die Errichtung der Zensur-Infrastruktur schon jetzt ganz konkrete und völlig überraschende Kosten. Eine seriöse Politik muss diese natürlich abgelten“, schließt Kapper.

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