Die Internetwirtschaft kritisiert die heute, Mittwoch, beschlossene Messenger-Überwachung: „Es gibt im Gesetz wichtige Einschränkungen, um die Grundrechte zu schützen, wie etwa die Vorgabe, dass ausschließlich Messenger-Daten ausgelesen werden dürfen und sonst nichts. Technisch kann deren Einhaltung aber de facto nicht garantiert werden“, kritisiert Stefan Ebenberger, Generalsekretär der ISPA, der Interessenvertretung der Branche.
Ohne Quellcode-Zugang oder technische Prüfung bleiben Software-Beschränkungen reine Versprechungen
Das Problem ist dabei ein technisches: „Uns ist keine Überwachungssoftware bekannt, die garantieren kann, ausschließlich die Messenger-Daten auszulesen, wie es das Gesetz fordert. Das ist also eine wesentliche Einschränkung, die technisch derzeit nicht umsetzbar ist. Bloße Versprechen der Anbieter reichen jedenfalls nicht aus, wenn sie den Code nicht offenlegen – hier ist unbedingt eine unabhängige technische Überprüfung notwendig, die alle begründeten Zweifel ausräumt.“
„Außerdem begibt der Staat sich hier in einen grundsätzlichen Interessenkonflikt“, sagt Ebenberger. „Die Software kann nur durch eine Lücke auf das Handy kommen. Diese Lücke können nicht nur die Behörden nutzen, sondern auch Kriminelle, die zum Beispiel gerne Zugang auf unsere Bank-Apps hätten. Unabhängig von den konkreten technischen Herausforderungen entsteht hier ein grundsätzlicher Widerspruch zwischen dem Ziel einer möglichst hohen Cybersicherheit, die der Staat einerseits vorschreibt, und dem Erhalten einer Sicherheitslücke.“
Sorge wegen Begehrlichkeiten zur Ausweitung der Überwachung
Darüber hinaus werden bereits jetzt Begehrlichkeiten laut, die Messenger-Überwachung auch für Zwecke der Strafverfolgung einzusetzen. Hier warnt die ISPA: „Eingriffe in Grundrechte können nur mit schwersten, staatsgefährdenden Verbrechen begründet werden. Was aber bei Terrorismus gerechtfertigt sein kann, ist es bei einer gestohlenen Handtasche noch lange nicht“, so Ebenberger.
Gestärkter Rechtsschutz und größere Transparenzpflicht positiv – auf die Umsetzung kommt es an
Positiv sieht die ISPA hingegen, dass einige der Anregungen zum stärkeren Schutz der Grundrechte im Gesetzgebungsverfahren aufgenommen wurden. „Die deutlich bessere Stellung des Rechtsschutzbeauftragten und die dafür vorgesehenen Ressourcen sind eine wichtige Maßnahme, um den gesetzlichen und verhältnismäßigen Einsatz dieser Überwachungsmaßnahme sicherzustellen. Auch die geplante Meldestelle für anonyme Whistleblower zählt zu diesen Verbesserungen, genauso wie die größeren Transparenzpflichten gegenüber dem Parlament“, erkennt Ebenberger die Verbesserungen gegenüber dem ursprünglichen Entwurf an. „Hier hat die Politik gezeigt, dass sie die Grundrechte nicht ignoriert. Wir stehen der Messenger-Überwachung zwar grundsätzlich kritisch gegenüber, aber bringen uns weiterhin konstruktiv ein, insbesondere bei der konkreten Umsetzung und der dafür nötigen Änderung der Überwachungsverordnung (ÜVO) – denn das Ziel der größeren öffentlichen Sicherheit ist natürlich ein wichtiges und richtiges, das wir unterstützen.“