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18.10.2017

Wieviel Sicherheit verträgt das Internet?

Intensive Debatte zu Sicherheit & Freiheit im Netz am IGF Austria 2017

Beim dritten Internet Governance Forum Austria diskutierten Stakeholder aus Industrie, Verwaltung, Wissenschaft und Zivilgesellschaft über „Sicherheit und Freiheitsrechte im digitalen Raum“. Der Konsens: Weder Gesetze noch Selbstregulierung können für sich alleine die Antwort auf aktuelle Herausforderungen sein.

Fake News, Hasspostings, Terrorpropaganda: Behörden, aber auch Plattform-Betreiber, stehen bei der Bekämpfung unerwünschter und illegaler Inhalte im Netz vor immensen Herausforderungen. Ob und wie schnell Inhalte gelöscht werden sollen und auf welcher rechtlichen Basis, dabei liegen die Ansichten weit auseinander. So auch beim dritten Internet Governance Forum Austria am 16. Oktober 2017 im Wiener Rathaus. Unter dem Veranstaltungs-Motto „Sicherheit und Freiheitsrechte im digitalen Raum“ diskutierten Stakeholder aus Industrie, Verwaltung, Wissenschaft und Zivilgesellschaft über Herausforderungen, Lösungen und ihre Auswirkungen auf ein freies Internet. Unter anderem moderierten Maximilian Schubert, Generalsekretär des Interessensverbands Internet Service Providers Austria (ISPA), Florian Schnurer, Geschäftsführer des Verbands Alternativer Telekom-Netzbetreiber und Werner Illsinger, Präsident des Vereins Digital Society.

Wo lauern aktuelle und zukünftige Gefahren?

Die Podiumsdiskussionen waren mit inländischen und internationalen Expertinnen und Experten hochkarätig besetzt. Oberst Walter Unger, Leiter der Abteilung Cyber Defence & IKT-Sicherheit im Verteidigungsministerium, referierte über aktuelle und zukünftige Gefahren im Netz. Dazu zählen Wahlmanipulation durch Fake News genauso wie Angriffe auf Infrastruktur, wie beispielsweise Stromnetze. Joe McNamee, Executive Director European Digital Rights (EDRI) lockerte die Diskussion mit einem Running Gag aus der Internet-Security-Branche auf: „Das S im Internet der Dinge steht für Sicherheit“. Soll heißen: Die Sicherheit bei intelligenten Devices vom internetfähigen Kühlschrank bis zum selbstfahrenden Auto wird derzeit leider noch allzu oft vernachlässigt. Christian Pilnacek, Leiter der Strafrechtssektion im Justizministerium, sah die aktuell größte Gefahr bei den mangelnden Verfolgungsmöglichkeiten von Straftaten im Netz und drängte auf eine Ausweitung der Befugnisse. Wobei sich die Diskussionsteilnehmer über eines einig waren: Das Internet ist kein rechtsfreier Raum. Gesetzliche Regelungen existieren. Allerdings lassen sich viele Konzepte nicht ohne Weiteres auf den digitalen Raum übertragen. Plus: Diese Regeln sind für Behörden häufig schwer durchzusetzen.

Große Internet-Plattformen löschen öfter 

Es liegt bei den Betreibern, ihnen zur Kenntnis gebrachte illegale Inhalte von ihren Plattformen zu entfernen. Dass das zuletzt immer besser funktioniert, berichtete Claudia Schäfer, Geschäftsführerin der Antidiskriminierungsstelle ZARA. Vier von zehn durch reguläre Nutzer beanstandete Inhalte würden üblicherweise gelöscht, bei Meldung durch besonders vertrauenswürdige Stellen, sogenannte „Trusted Flagger“, sogar 90 Prozent. Heftig diskutiert wurde die Frage, ob nicht schon früher eingegriffen werden könne. Nämlich durch Filter, die den Upload illegalen Contents von vorne herein unterbinden. Ein Vorschlag, der seitens der Plattformbetreiber und Zugangsanbieter auf wenig Gegenliebe stieß. Angelika Dorvel, bei Google zuständig für Public Policy and Government Relations, erklärte die Problematik: „Wenn der IS ein Terrorvideo zu Propagandazwecken auf eine Videoplattform lädt, wird es gelöscht. Dasselbe Video im Rahmen eines Nachrichtenbeitrags wäre aber zulässig. Algorithmen fällt es schwer, einen Inhalt in den richtigen Kontext zu setzen.“

Nationale Alleingänge sind wenig hilfreich

Häufig zu hören war der Ruf nach der Europäischen Union. Nationale Alleingänge in Sachen Internet-Gesetzgebung wurden als unter Umständen kontraproduktiv gewertet.  Als wichtig wurde der Dialog mit der Zivilgesellschaft erachtet. Diese würde im Vorfeld der Gesetzgebungsprozesse zu selten gehört. Joe McNamee griff zudem die von der ISPA oftmals vorgebrachte Forderung auf, die Interessen von kleinen und mittelgroßen Betrieben in Brüssel stärker zu berücksichtigen. Er warnte in diesem Zusammenhang davor, das Internet auf die großen drei Konzerne zu reduzieren. McNamee: „Wer das Internet reguliert, als gäbe es nur Apple, Google und Facebook, erntet ein Internet, in dem es nur Apple, Google und Facebook gibt.“

„Es gibt kein Recht auf ein Facebook-Posting“

Ein häufig geäußerter Wunsch war der nach mehr Transparenz seitens der Plattformbetreiber. Ingrid Broding, Österreichs Digitale Botschafterin in der EU, brachte die Forderung plakativ auf den Punkt: „Auch ein Nazi soll das Recht haben zu erfahren, warum sein Account gesperrt wurde.“ Diskutiert wurde auch das Spannungsverhältnis zwischen Meinungsfreiheit und den von den Plattformen festgelegten „Community Standards“. Brodnig: „Es gibt kein Recht auf ein Facebook-Posting. Wenn Facebook zu viel löscht, verletzt das kein Gesetz.“ Viele Fragen blieben in der Diskussion offen. Eine nächste Möglichkeit, diese aufzugreifen, gibt es beim globalen Internet Governance Forum in Genf (18. – 21. Dezember 2017). Einig waren sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer, dass weder Gesetze noch Selbstregulierung durch die Anbieter für sich alleine die Antwort auf die dringenden Herausforderungen in Sachen Netzregulierung darstellt. ISPA Generalsekretär Maximilian Schubert zog das Fazit: „Der Schlüssel zum Erfolg ist die Zusammenarbeit aller Stakeholder und der wertschätzende Diskurs.“

 

Fotos und Videos der Veranstaltung

Fotogalerie (ISPA/APA-Fotoservice/Hörmandinger)

Videoaufzeichnungen (in Kürze verfügbar)

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