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Parteienbefragung: Wie digital wird die EU?

Im Vorfeld der EU-Wahl haben wir die Einstellungen und Meinungen der wahlwerbenden österreichischen Parteien zu den Themen Digitalisierung und Internet in der Europäischen Union erhoben.

sehr viele Regelungen und Gesetze, die das Internet und die Digitalisierung betreffen, werden mittlerweile auf EU-Ebene ausgearbeitet und beschlossen, dem Spielraum bei der nationalen Umsetzung sind meist sehr enge Grenzen gesetzt. Die zukünftigen Entscheidungen der EU-Institutionen zu diesen Themen werden also nicht nur für die weitere Entwicklung der Europäischen Union ganz wesentlich sein, sondern auch sehr konkrete Auswirkungen auf die digitale
Zukunft in Österreich haben.

Wir haben daher anlässlich der bevorstehenden Wahl zum EU-Parlament die Spitzenkandidatin bzw. -kandidaten jener sechs wahlwerbenden Gruppen aus Österreich, die bis zum 1. April 2019 ihre Kandidatur bekanntgegeben hatten, gebeten uns durch die Beantwortung von zehn Fragen ihre Einstellungen, Meinungen und Pläne rund um die Digitalisierung zu verraten.

Sie finden hier die Fragen, die Antworten darauf schalten wir zwischen 14. Mai und 24. Mai Stück für Stück vor der Wahl frei. Auch wenn diese teilweise sehr ausführlich ausgefallen sind, geben wir sie ungekürzt wieder. Die Reihenfolge der Antworten ergibt sich aus den derzeitigen Sitzen im EU-Parlament.

Die wahlwerbenden Gruppen

Othmar Karas

Österreichische Volkspartei (ÖVP)
Andreas SchiederSozialdemokratische Partei Österreichs (SPÖ)
Harald VilimskyFreiheitliche Partei Österreichs (FPÖ)
Werner KoglerDie Grünen
Claudia GamonNEOS
Johannes VoggenhuberEuropa Jetzt

Die Fragen

1. Wo sehen Sie die EU derzeit in Bezug auf die Digitalisierung sowie den digitalen Binnenmarkt und was hat sie diesbezüglich bisher erreicht?

2. Wo liegen aus Ihrer Sicht aktuell die größten Herausforderungen für die EU? Und wo die größten Chancen?

3. Welche netzpolitischen Ziele steckt sich Ihre Partei generell für die kommende EU-Legislaturperiode?

4. Die umstrittene Urheberrechtrichtlinie wurde vom EU-Parlament angenommen. Wie stehen Sie zu Leistungsschutzrecht und Upload-Filter und welche Maßnahmen würden sie vorschlagen, um etwaige negative Auswirkungen auf Österreich speziell unter dem Blickwinkel österreichischer Online-Dienste sowie der Meinungsfreiheit und -vielfalt hintanzuhalten?

5. Es wird immer wieder der Vorwurf erhoben, dass die großen Internetkonzerne in Europa zu wenig Steuern zahlen. Bislang konnte auf europäischer Ebene keine Einigkeit der einzelnen Mitgliedstaaten erreicht werden. Einzelne Regierungen versuchen nun mit nationalen Alleingängen wie der Digitalsteuer vorzupreschen. Wie sehen Sie diese Problematik und wie könnte ein Ansatz aussehen, der im Einklang mit dem derzeitigen globalen Besteuerungssystem steht?

6. Fake News und Hate Speech sind zwar keine neuen Phänomene, durch das Internet wird aber beides deutlich sichtbarer und findet viel rascher eine viel größere Verbreitung. Gibt es hier aus Ihrer Sicht Handlungsbedarf? Wenn ja, welche Maßnahmen sehen sie auf nationaler, aber auf EU-Ebene als erforderlich an?

7. Die Vorratsdatenspeicherung wurde 2014 vom EuGH aufgehoben. Nichts destotrotz finden sich in einzelnen Mitgliedstaaten immer wieder Vorstöße, eine ähnlich anlasslose Generalüberwachung durchzuführen. Wie stehen Sie dazu sowie zur Forderung mancher Mitgliedstaaten, verschlüsselte Kommunikation zu verbieten bzw. Provider dazu zu verpflichten, für die Strafverfolgung Hintertüren in ihre Services einzubauen?

8. Im Digitalbereich orientieren sich viele Legislativvorschläge der EU an den Möglichkeiten großer Unternehmen wie Google, Facebook & Co. Kleine und mittlere Unternehmen können angedachte Maßnahmen wie beispielsweise die einstündige Reaktionszeit im Rahmen der angedachten der Anti-Terror-Richtlinie keinesfalls erfüllen. Stärkt man damit nicht die Vormachtstellung der US-amerikanischen Internetgiganten und erstickt das Entstehen europäischer Konkurrenz im Keim?

9. Im Bereich des Zugangs zum Internet ist ein Trend zur Re-Monopolisierung zu beobachten, der alternative Anbieter zunehmend unter Druck setzt bzw. aus dem Markt drängt, während gleichzeitig erwartet wird, dass diese in den Netzausbau investieren, um beispielsweise 5G zu ermöglichen Wie gedenken Sie den Wettbewerb im Internet zu sichern?

10. Was könnte die EU tun, um hinkünftig eine Vormachtstellung in der globalen Digitalwirtschaft einnehmen zu können?

Die Antworten

1. Wo sehen Sie die EU derzeit in Bezug auf die Digitalisierung sowie den digitalen Binnenmarkt und was hat sie diesbezüglich bisher erreicht?

Es reicht nicht, dass Europa bloß Schritt mit der digitalen Entwicklung hält. Europa gehört an die Spitze der digitalen Revolution. Wir müssen uns für die Zukunft wappnen und entsprechende Rahmenbedingungen für die fortschreitende Digitalisierung schaffen. Vieles ist bereits passiert, aber noch nicht genug.

Die EU-Kommission hat unter dem Titel ›Digital Europe‹ 2018 ein entsprechendes Programm für den Zeitraum 2021–2027 präsentiert, das ich voll unterstütze. Die Schwerpunkte liegen in der Stärkung der europäischen Kapazitäten bei Hochleistungsrechnern, künstlicher Intelligenz, Cybersicherheit, fortgeschrittenen digitalen Kompetenzen sowie auf der Einführung und optimalen Nutzung digitaler Kapazitäten und Interoperabilität. Ich will das Erfolgsmodell des europäischen Binnenmarkts an die Digitalisierung anpassen und den digitalen Binnenmarkt vollenden. Das heißt, dass die Konsumenten wirklich aus allen digitalen Angeboten in ganz Europa auswählen können. Da gibt es noch viel zu viele Hindernisse.

Zu den bisherigen Errungenschaften gehören ganz sicher die Abschaffung der Roaminggebühren, die Senkung der Auslandstarife, die Neufassung des europäischen Kommunikationskodexes, der 5G-Aktionsplan zum Rollout der fünften Generation der Telekomsysteme, der Connecting Europe Broadband Fund und die Stärkung der Telekomregulatoren, die eine größere Kohärenz der bisher fragmentierten Vorschriften sicherstellt. Wichtig sind auch die Transparenzvorschriften für Online-Reise- und Online-Hotelbuchungsservices, die Digitalisierung zahlreicher Behördenverfahren europaweit durch das Single Digital und der freie Verkehr nicht-personenbezogener Daten im Binnenmarkt. Außerdem fördert die EU Gemeinden, die kostenloses WLAN im öffentlichen Raum installieren wollen. All das ist nicht nichts, aber es bleibt sehr vieles zu tun.


Die Digitalisierung betrifft uns alle in unserem täglichen sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Zusammenleben. Mit der Verwirklichung des digitalen Binnenmarktes geht es letztlich darum, das Leben der Menschen zu erleichtern und Arbeitsplätze zu schaffen. Dazu brauchen wir aber u.a. eine bessere Infrastruktur, umfassenden Zugang sowie Schulungen zu E-Skills der NutzerInnen. Mehr Gelder für Investitionen in die digitale Zukunft Europas sind daher notwendig. Die Verhandlungen um den mehrjährigen Finanzrahmen können hier genutzt werden, um einen stärkeren Fokus auf diesen Bereich zu legen. Nur so werden wir auch künftig mit Mitbewerbern wie China oder den USA mithalten können.

In anderen Bereichen, wie z.B. beim Datenschutz und der Netzneutralität ist die EU jetzt schon Vorreiterin: Die Grundrechte der NutzerInnen haben höchsten Stellenwert und die Digital-Konzerne müssen im Umgang mit den Daten der BürgerInnen höchste Standards einhalten. Hier setzen wir globale Standards. Europa ist eine Bastion des offenen Internets und das gilt es in Zukunft vehement zu verteidigen.


Die Digitalisierung ist mit Sicherheit eine gewaltige Herausforderung für Europa. Die doch sehr ambitionierte Digitale Agenda samt Digitalem Binnenmarkt hat meines Erachtens entsprechende Ernüchterung, wenn nicht sogar Zweifel der Bürger an einigen Umsetzungen gebracht. Man denke an die fast schon humoreske ›Abschaffung‹ des Geoblockings oder an die die umstrittene DSGVO. Zudem sehe ich gewisse Entwicklungen auch kritisch – wie etwa bei der e-Governance. Ich glaube der Weg ist ein langer und sehr steiniger, bis wir hier die entsprechenden Ergebnisse erzielt haben.


Die EU hat die letzten Jahre, verglichen zum Bedarf, zu wenig in Digitalisierung investiert. Trotzdem wurden wichtige Vorhaben geprüft und beschlossen: der neue Europäische Kodex für elektronische Kommunikation, aktualisierte Verbrauchergesetze, neue Urheberrechts- und Geoblockierungsvorschriften, öffentliche Debatten über die Digitalisierung der Branche und neue Finanzinstrumente wie das Programm Digital Europe. Allerdings haben wir immer noch viele Regionen ohne Konnektivität, große Unterschiede in der Geschwindigkeit und Qualität der Verbindungen, ungleichmäßige Verbreitung von Wissen und unbeantwortete Sicherheitsherausforderungen.


Wir sehen, dass hier zwar gute Absichten bestehen, die tatsächlichen Maßnahmen aber weitgehend fehlen. Die Geoblocking-Verordnung ist ein positives Beispiel zur Umsetzung des digitalen Binnenmarkts, die Reform des Urheberrechts kann man in der vorliegenden Form leider nicht als gelungen bezeichnen. Wesentliche Bereiche wie etwa digitale Bildung obliegen ohnehin weitgehend den Mitgliedsstaaten. Das Umsetzungs- und Reformtempo der Mitgliedstaaten ist hier recht unterschiedlich. Dass im Bereich der Forschung, speziell im kommenden Forschungsrahmenprogramm Horizon Europe, erhebliche Mittel bereitgestellt werden, ist als positiv zu werten.


Die drei Säulen der EU Strategie für einen digitalen Binnenmarkt
1) Besserer Zugang zu digitalen Waren und Dienstleistungen. Unsere digitale Welt muss ein fugenloser und homogener Wirtschaftsraum werden.
2) Optimale Rahmenbedingungen für digitale Netze und Dienstleistungen. Unsere Vorschriften müssen mit der technologischen Entwicklung Schritt halten und den Ausbau der Infrastruktur begleiten.
3.) Digitale Wirtschaft als Wachstumsmotor. Europas Wirtschaft, Industrie und Arbeitsmarkt müssen die Vorteile der digitalen Revolution voll ausschöpfen. In Stichworten: Konnektivität, Menschen Kapital, Internet Dienste, Integration digitaler Technologien, digitale öffentliche Dienste

Erreichtes:
– Abschaffung der Roaminggebühren: auf Reisen alle Vorteile der Mobilfunkkommunikation
– Digitaler Binnenmarkt: EU-Vereinfachung grenzüberschreitenden Zugang zu Online-Fernseh- und Hörfunkinhalten
EU-Einigung auf Erhöhung der Cybersicherheit in Europa


2. Wo liegen aus Ihrer Sicht aktuell die größten Herausforderungen für die EU? Und wo die größten Chancen?

Die größte Herausforderung sind ineffiziente Entscheidungsmechanismen in der EU. In zu vielen Bereichen gilt das Einstimmigkeitsprinzip unter den Mitgliedstaaten und dadurch geben die Zögerer und Blockierer das Tempo vor. Das wiederum erzeugt den Eindruck bei vielen Bürgern, dass die EU die Probleme nicht löst, was wiederum zu einem Anstieg bei EU-Gegnern und Extremisten führt, die dann wiederum die EU in ihren Entscheidungen behindern. Das ist ein Teufelskreis, aus dem wir ausbrechen müssen.

Deshalb ist die kommende EU-Wahl eine Richtungsentscheidung. Gerade in Zeiten großer Herausforderungen braucht es Lösungen – wir dürfen die EU nicht von rechten und linken Zündlern zerstören lassen. Wir wollen die EU verändern und besser machen. Bei den konkreten Themen sind Klimaschutz, Digitalisierung, Migrationspolitik, ein effizienter Außengrenzschutz und ein Ende der gefährlichen Schuldenpolitik mancher Mitgliedstaaten besonders wichtig. Zudem muss die EU eine selbstbewusstere gemeinsame Außenpolitik verfolgen, um sich international zu behaupten. Gerade Klimaschutz und Umweltschutz sind eine Chance. Ich möchte, dass sich Europa bei Klimaschutz-, Energie- und Umwelttechnologien an die Spitze der Entwicklung stellt. Hier sind wir schon gut. Hier müssen wir Weltmarktführer werden. Damit können gleichzeitig Umwelt und Wirtschaft profitieren. Dazu müssen wir aber massiv in Forschung und Entwicklung in diesem Bereich investieren. Da müssen wir mehr Geld als bisher in die Hand nehmen.


Europa muss seine Infrastruktur ausbauen, damit langfristige und nachhaltige Projekte entstehen können. Es geht darum richtig zu investieren, um eine eigene europäische IT-Industrie aufzubauen. Das bringt Unabhängigkeit von den Internetmultis und stärkt den europäischen Binnenmarkt. Nur ein dezentrales Netz ist ein gutes Netz. Gleichzeitig gibt Europa beim Datenschutz und dem Schutz von personenbezogenen Daten den Ton an. Das ist eine große Chance, die Entwicklungen mitzugestalten. Hier dürfen wir auf keinen Fall nachgeben.


Meines Erachtens müssen sich die EU und ihre Mitgliedstaaten zwei Gedanken machen: Zum einen, ob der Digitale Binnenmarkt angesichts der doch so gravierenden Unterschiede in den Mitgliedsländern überhaupt möglich ist und wie man die entsprechende digitale Infrastruktur vor allem in ländlichen Gebieten effektiv fördern kann. Eine zweite Herausforderung liegt in der Cybersicherheit, die bis dato noch sehr unausgereift ist. Zudem dürfen wir nicht vergessen, dass gerade kleine und mittlere Unternehmen mit vielen dieser Neuerungen vor allem finanziell überfordert sind. Die größte Chance, um die Digitalisierung voranzutreiben, ist vor allem die Fokussierung dieses Themas auf Ausbildung, Arbeitsplätze und Modernisierung von Industrie und Wirtschaft.


Die größte digitalpolitische Herausforderung ist die Verteidigung des öffentlichen Interesses gegenüber den Interessen der großen Internetlobbies. Wir sind der Meinung, dass EU- Gesetzgebung ›technologieneutral‹ sein sollte: Digital erbrachte Waren oder Dienstleistungen sollten gesetzlich nicht besser oder schlechter behandelt werden als andere. Die Technologie selbst ist jedoch nie neutral. Deshalb wollen wir den Begriff des Internets als ›Commons‹ – ein virtueller Raum, der allen gehört – und das Prinzip der ›Netzneutralität‹, nach dem kein Internetverkehr stattfindet, fördern und bewahren. Dabei muss die Förderung eines echten Wettbewerbs bei digitalen Gütern und Dienstleistungen noch stärker unterstützt werden. Wir wollen offene  Standards und innovative Lizenzmodelle bis hin zu offenen Plattformen und Transparenz, um eine Bindung von Anbietern und Plattformen zu vermeiden, die Interoperabilität und Innovation behindert. Eine weitere Herausforderung wird die Digitalisierung im Arbeitsmarkt, gerade für Arbeiter*innen. Deshalb sind Maßnahmen in den Bereichen Bildung, Steuern und Sozialversicherungssysteme dringend erforderlich, um soziale Härtefälle zu vermeiden und die sozialen Vorteile der digitalen Zukunft zu nutzen und gleichzeitig die Nachteile so weit wie möglich abzumildern oder zu beseitigen. Diese könnten durch die Einführung von Kompetenztrainings, kontinuierlichen (Neu-)Ausbildungen und lebenslangem Lernen abgefedert werden.

Die größten Chancen liegen neben der Schaffung eines echten grenzenlosen, digitalen Binnenmarktes, auch im Sinne des freien Zugangs zu Bildung, kulturellen Diversität und Meinungsfreiheit. Nicht zu vergessen sind die Möglichkeiten durch ›smart technologies‹, die eine grüne Wirtschaftstransformation weiter vorantreiben wird und kann.


Die wohl größte Herausforderung der EU kreist im Moment wohl um die Frage, in welche Richtung sich die Europäische Union entwickeln soll. Während sich manche EU-Mitgliedstaaten für eine Vertiefung der Zusammenarbeit in Europa aussprechen, wollen andere wiederum Kompetenzen an die Nationalstaaten zurückführen. Eine dritte Gruppe will den status quo beibehalten. Die Europäische Union wurde während ihrer gesamten Geschichte kontinuierlich weiterentwickelt. Wenn sie - wie gerade jetzt - in eine Entwicklungsstarre gerät, droht die Gefahr, dass sie den vielen Herausforderungen auf europäischer wie globaler Ebene nicht hinreichend begegnen kann. Als Beispiel lässt sich hier etwa die Bekämpfung der Steuerminimierungsmöglichkeiten von Tech-Konzernen anführen, die regelmäßig am Einstimmigkeitsprinzip in Steuerfragen scheitert.


Wie vernetzter Straßenverkehr, ›Cooperative Intelligent Transport Systems‹ (C-ITS) 5 G, WLAN Technologien Netzabdeckung für Mobilkommunikation & Daten

Fortführung: Konnektivität, Menschen Kapital, Internet Dienste, Integration digitaler Technologien, digitale öffentliche Dienste


3. Welche netzpolitischen Ziele steckt sich Ihre Partei generell für die kommende EU-Legislaturperiode?

Wir müssen die besten Rahmenbedingungen schaffen, um eine europäische digitale Wirtschaft zu sichern. Nur so können wir es schaffen, dass die Googles, Facebooks und Apples von morgen aus Europa kommen – »High tech made in Europe.« Wir fürchten uns nicht vor Veränderung, sondern begreifen die Digitalisierung als große Zukunftschance, die wir aktiv gestalten wollen. Das heißt zuallererst, in Forschung und Innovation investieren und die benötigte Infrastruktur ausbauen.

Im Netz brauchen wir mehr Regeln als bisher. Das Netz ist kein und darf kein rechtsfreier Raum sein. Grundprinzipien wie Schutz des geistigen Eigentums, freie Meinungsäußerung, Schutz vor und Ahndung von Kriminalität müssen auch im Netz gelten. Da ist es aber wichtig eine gesunde Balance zu finden, denn zu viele Regeln können auch Innovation behindern.

Ich kämpfe auch seit Jahren für eine faire Besteuerung der großen multinationalen Internetkonzerne. Österreichische KMU zahlen rund 25% Körperschaftssteuer, während die Internetriesen zum Teil weniger als ein Prozent zahlen. Das ist zutiefst ungerecht. Nachdem die Digitalsteuer auf EU-Ebene vorerst gescheitert ist, hat die Bundesregierung ein umfassendes Digitalsteuerpaket beschlossen, das die Internet-Giganten wie Google & Co in die Pflicht nimmt. Wir müssen aber weiter auch für eine internationale Lösung kämpfen.

Beim 5G-Ausbau ist Österreich EU-weiter Vorreiter, in den kommenden Jahren soll ein flächendeckender Ausbau folgen. Das ist der richtige Weg – auch um ländliche Regionen wieder stärker in den Mittelpunkt Österreichs und Europas zu rücken.


Als fehlendes Puzzleteil für umfassenden Datenschutz muss die e-Privacy Richtlinie umgesetzt werden. Das Problem liegt wie so oft im Rat – die Mitgliedstaaten blockieren weiterhin. Von Anfang an war die Richtlinie als Komplementierung der Datenschutzgrundverordnung gedacht. Jetzt dürfen wir auf unserem Feld der Expertise nicht auf halbem Weg anhalten.


Unserer Ansicht nach sollte die Digitalisierung Schritt für Schritt erfolgen. Gerade in der Digitalisierung greift das Konzept des Europas der zwei Geschwindigkeiten besonders. So sind z.B. die skandinavischen und baltischen Länder in diesem Bereich Spitzenreiter, Österreich liegt nur im Mittelfeld, während Länder wie Bulgarien und Rumänien im Hintertreffen sind. Die Staaten sollten jedenfalls ein Grundgerüst schaffen, um zum Beispiel NGA-Technologien oder den Ausbau des Glasfasernetzes voranzutreiben, gerade in ländlichen Gebieten. Österreich ist da bereits auf einem guten Weg, wie wir am Ausbau des 5-G-Netzes sehen.


Eines unserer Hauptanliegen ist der Abschluss der e-privacy Richtlinie. Diese wird nach wie vor von den Mitgliedstaaten, unter anderem auch Österreich, im Rat blockiert. Außerdem kämpfen wir für eine starke und ausgewogene Richtlinie über Roboter und künstliche Intelligenz. Ein weiterer Schwerpunkt wird die Evaluierung der Kommission zur jetzigen Geo-Blocking Richtlinie sein, sowie die weitere Entwicklung der digitalen Industrie in der EU. Wir werden uns weiterhin für eine stärkere Förderung von Open Source Software einsetzen. Ein zusätzlicher Schwerpunkt wird die Bekämpfung der zunehmenden Überwachung von User*innen und die Aushöhlung des Datenschutzes sein.


Sollte die Copyright-Richtlinie wie erwartet vom Rat bestätigt werden, so wollen wir es uns zum Ziel machen, in der neuen Zusammensetzung des Europaparlaments die Richtlinie zu novellieren und die Uploadfilter und das neue Leistungsschutzrecht zu entschärfen. Zudem wollen wir generell, dass bei Gesetzesentwürfen besser darauf geachtet wird, welche Auswirkungen diese auf klein- und mittelständische Unternehmen haben. Auch soll die Europäische Union ihre Verwaltung nach dem Vorbild Estlands digitalisieren.


Unterstützung von großen und kleinen Unternehmen, Forscher*innen, Bürger*innen sowie Behörden bei der optimalen Nutzung neuer Technologien durch zuverlässiges zur Verfügung stellen, Vermittlung der nötigen digitalen Kompetenzen und Förderung der Forschung in wichtigen Bereichen wie z.B. Gesundheit und Hochleistungsrechnern.


4. Die umstrittene Urheberrechtrichtlinie wurde vom EU-Parlament angenommen. Wie stehen Sie zu Leistungsschutzrecht und Upload-Filter und welche Maßnahmen würden sie vorschlagen, um etwaige negative Auswirkungen auf Österreich speziell unter dem Blickwinkel österreichischer Online-Dienste sowie der Meinungsfreiheit und -vielfalt hintanzuhalten?

Die Richtlinie zum Urheberrecht im digitalen Binnenmarkt soll das europäische Urheberrecht für die Herausforderungen der digitalisierten Welt stärken. Das ist wesentlich für den Schutz geistigen Eigentums und ein unabdingbarer Schritt im völlig asymmetrischen Wettbewerb mit den multi-nationalen Online-Giganten. Schutz geistigen Eigentums ist eine Frage der Gerechtigkeit und die Herstellung gleicher Rahmenbedingungen für alle Marktteilnehmer eine Notwendigkeit. Derzeit machen die Online-Giganten Milliardengewinne mit den Inhalten von anderen – ohne dafür auch nur den geringsten Beitrag zu leisten. Das geht so nicht. Das Prinzip des Eigentums muss auch im Internet gelten und geschützt werden. Deshalb hat sich die ÖVP-Delegation im Europaparlament nach eingehenden Beratungen auch für die Urheberrechtrichtlinie ausgesprochen. Die Urheberrechtrichtlinie wird in den kommenden zwei Jahren auf nationaler Ebene umgesetzt, dabei gibt es noch einige Spielräume, auch zum Beispiel was den Anwendungsbereich betrifft. Die Richtlinie sieht bei der Frage nach der Haftbarkeit von Online-Plattformen explizit den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit bei der nationalrechtlichen Umsetzung vor. Das soll sicherstellen, dass bei der Frage der Haftung einer Online-Plattform die Art des Nutzerpublikums, der Umfang der Dienste, die Art der üblicherweise hochgeladenen Werke sowie die Verfügbarkeit geeigneter und wirksamer Mittel wie auch die Kosten hierfür zu berücksichtigen sind. Das Ziel ist, dass die heimische IT-Industrie Rechtssicherheit hat.

Im Rahmen der österreichischen Umsetzung der Richtlinie werden selbstverständlich Experten und involvierte Stakeholder eingebunden. Mit Medienminister Gernot Blümel und der Präsidentin der Politischen Akademie Bettina Rausch habe ich vereinbart, dass diese einen tiefgehenden Dialog mit den Internet-Userinnen und Usern, Experten, Kulturschaffenden, wie der Kreativwirtschaft starten werden. Für uns steht aber fest, dass der Schutz geistigen Eigentums eine Frage der Gerechtigkeit ist und auch im digitalen Raum gelten muss.


Wir lehnen Uploadfilter für Online-Plattformen und das Leistungsschutzrecht für Presseverleger ab. Das Presse-Leistungsschutzrecht hat schon in Deutschland nicht funktioniert. Wir befürchten eine Einschränkung der Informationsfreiheit sowie die Verdrängung von kleineren oder neuen Presseprodukten am Online-Markt. National könnten Maßnahmen beschlossen werden, um Uploadfilter zu vermeiden. Selbst die Partei des verantwortlichen EVP-Abgeordneten erwägt in der nationalen Umsetzung Maßnahmen vorzusehen, um Uploadfilter zu verhindern.


Wir haben uns damals bei der Abstimmung enthalten. Auf der einen Seite unterstützen wir die Freiheit des Internets, stehen aber andererseits auch für Fairness gegenüber Künstlern, Autoren oder Musikern, die für ihre Werke entsprechend entlohnt werden sollen. Die Entscheidung war damals sehr knapp, und wir wollten, dass man separat über den strittigen Artikel 13 abstimmen lässt. Leider hat die Mehrheit des Hauses damals dagegen entschieden und somit wurde unserem Wunsch, dass durch weitere Verhandlungen die Bedenken der Menschen weitgehend ausgeräumt werden, nicht entsprochen. Da es eine Richtlinie ist, werden wir als FPÖ auf nationaler Ebene besonders darauf schauen, dass hier keinerlei versteckte Zensur oder dergleichen in die diesbezügliche Gesetzgebung einfließt.


Leistungsschutzrecht und Upload-Filter gefährden die Entwicklung des freien Netzes und unsere Meinungsfreiheit. Wir haben daher im Europaparlament dagegen gestimmt.

In der nationalen Implementierung wird es wichtig sein, so viele Ausnahmen wie möglich für KMUs, Vereine und andere nicht-kommerzielle Betreiber von Plattformen zu schaffen. Unsere Befürchtung ist, dass eine weite Ausnahmeregelung unter Umständen nicht EU-rechtskonform sein könnte und es daher vor dem EUGH ausjudiziert werden muss.


Wir sind entschieden gegen das in der Richtlinie verankerte Leistungsschutzrecht und die Uploadfilter. Wir NEOS haben mehrmals öffentlich auf die Gefahren der neuen Urheberrechtsrichtlinie hingewiesen und unsere Abgeordnete im EU Parlament, Angelika Mlinar, hat mehrfach entschieden gegen die Uploadfilter und das Leistungsschutzrecht gestimmt. Jetzt können wir nur versuchen, in der nationalen Umsetzung darauf hinzuwirken, bestimmte Aspekte wie die Uploadfilter bestmöglich zu entschärfen. Der beste Weg wäre natürlich, in der nächsten Wahl politische Richtungen wie NEOS zu wählen, damit ein mit neuen Kräfteverhältnissen ausgestattetes EUParlament die Richtlinie auf europäischer Ebene entsprechend abändern kann.


Beim derzeitigen Stand der Urheberrechtsreform klare Ablehnung, weil die Freiheit und der Zugang zu Information und Kreativität eingeschränkt, zensiert sowie Verluste und ungerechtfertigt verteuert (pay on demand und Anwälte) werden würde. Eine faire Beteiligung der Urheber- und Künstler*innen an den Gewinnen der großen Plattformen, welche ja die Werke nutzen, und ein freies Internet sollten Bedingung sein. Was ganz außer Acht gelassen wurde ist z. B die quasi ›automatische‹ Aneignung und Aufkauf der Rechte von Bildern und elektronischen oder gescannten Büchern im Netz durch große US Plattformen.


5. Es wird immer wieder der Vorwurf erhoben, dass die großen Internetkonzerne in Europa zu wenig Steuern zahlen. Bislang konnte auf europäischer Ebene keine Einigkeit der einzelnen Mitgliedstaaten erreicht werden. Einzelne Regierungen versuchen nun mit nationalen Alleingängen wie der Digitalsteuer vorzupreschen. Wie sehen Sie diese Problematik und wie könnte ein Ansatz aussehen, der im Einklang mit dem derzeitigen globalen Besteuerungssystem steht?

Die Steuersysteme der meisten Staaten sind noch nicht voll im Zeitalter der Digitalisierung angekommen. In der digitalen, grenzüberschreitenden Wirtschaft ist es immer schwieriger, festzustellen, in welchem Land die Wertschöpfung eines digitalen Produkts oder einer digitalen Dienstleistung stattfindet. Deswegen wären weltweite Regeln die ideale Lösung für dieses Problem. Die OECD arbeitet daran, aber das ist noch nicht weit genug. Deshalb sind die zweitbeste Lösung europäische Regeln. Wenn das noch nicht möglich ist, ist es sinnvoll auf nationaler Ebene zu handeln. Wir haben uns auf EU-Ebene konsequent für eine europaweite Digitalsteuer ausgesprochen. Diese ist leider an den Vetos und den Alleingängen einiger Mitgliedstaaten gescheitert.

Wie bereits gesagt: Internationale Digitalkonzerne zahlen zum Teil weniger als ein Prozent Steuern bis gar keine Steuern, während kleine heimische Betriebe um die 25 % zahlen. Nachdem die Digitalsteuer auf EU-Ebene vorläufig gescheitert ist, wurde daher nun die Bundesregierung aktiv und hat bereits ein umfassendes Digitalsteuerpaket vorgelegt, das unter anderem die Einführung einer Digitalsteuer von 5% auf Online-Werbung vorsieht. Internet-Giganten wie Google & Co werden damit endlich auch einen fairen Beitrag leisten.


Es ist nicht einzusehen, dass große Internetkonzerne wie Facebook in Österreich null Prozent Körperschaftssteuer zahlen, während andere jeden Monat korrekt ihren Steuerbeitrag leisten. Um nachhaltig gegen dieses Problem vorzugehen wird es ohne eine gemeinsame europäische Lösung nicht gehen. Leider blockieren einige Mitgliedstaaten, aus Eigeninteresse und auf Kosten der restlichen EU, viele Bemühungen in diesem Bereich. Wir schlagen hier z.B. vor, das Einstimmigkeitsprinzip in Steuerfragen aufzuheben, um hier endlich etwas weiterzubringen. Bis es so weit ist, können nationale Lösungen aber durchaus sinnvoll sein. Die vorgeschlagenen Maßnahmen der Bundesregierung werden aber leider kaum Abhilfe schaffen. Die Ausweitung der Werbeabgabe wird, in ihrer vorgeschlagenen Form, kaum Einnahmen bringen und die Ausweitung der Mehrwertsteuer bei online Einkäufen wird hauptsächlich von den KundInnen zu tragen sein. Um einiges sinnvoller wäre z.B. endlich die Einführung der digitalen Betriebsstätte in das Steuerrecht. Damit wäre es möglich, die Gewinne dort zu besteuern, wo sie auch anfallen. Die gängige Praxis mit Hilfe von Steuertricks und komplizierten Lizensierungsverträgen Gewinne in Steueroasen zu verschieben, wäre damit unterbunden.


Grundsätzlich gibt es hier ja zwei Ansätze: einerseits generell die Möglichkeiten zur Steuerflucht zu schließen; andererseits Direktbesteuerungen von Digitalumsätzen. Letzteres hat das Problem, dass es relativ direkt zu einer Abwälzung der Steuer auf die Kunden kommen wird. Ersteres hängt auch damit zusammen, dass die Steuerhoheit in der EU nach wie vor bei den Mitgliedstaaten liegt und hier nur einstimmig Beschlüsse gefasst werden können. Das halten wir allerdings aus verschiedenen Gründen auch für durchaus sinnvoll. Käme ein Gutteil dieser Internetkonzerne aus der EU, hätten wir dieses Problem wohl nicht oder jedenfalls nicht in dieser Form.


Große multinationale Technologieunternehmen zahlen in der Regel deutlich weniger Steuern (oft weniger als 10%) als normale Unternehmen und Einzelpersonen und nutzen häufig Techniken der Gewinnverschiebung, um ihre Steuerrechnungen zu senken, wodurch sie die ursprüngliche Idee zur Förderung der Entwicklung missbrauchen. Big Tech-Unternehmen profitieren von einer gesunden, gebildeten Belegschaft und einer öffentlich finanzierten Infrastruktur ebenso wie alle anderen und müssen einen fairen Beitrag durch Steuern leisten.

Die Grünen fordern seit langem, dass Unternehmen wie Google, Amazon, Facebook und Apple, aber auch Plattformen wie Airbnb oder Uber ihren gerechten Anteil in den Ländern zahlen, in denen sie tätig sind und wo sie Einnahmen erzielen. Dies kann nur durch ein gemeinsames Vorgehen der EU-Mitgliedstaaten passieren und nicht wie die österreichische Regierung per Alleingang. Der jetzige Vorschlag der Regierung ist nicht nur unsinnig, sondern ist eine Vorratsdatenspeicherung durch die Hintertür.


Wie bereits erwähnt, herrscht in Steuerfragen das Einstimmigkeitsprinzip in der Europäischen Union und verhindert eine effektive Bekämpfung der Steuerminimierungsmöglichkeiten. Grundsätzlich sind wir für eine Lösung auf europäischer Ebene. Nationale Alleingänge halten wir für den falschen Weg. Steuertechnisch müssen wir aufgrund der bestehenden Doppelbesteuerungsabkommen kurz- und mittelfristig bei der Besteuerung an der Umsatzsteuer ansetzen. Langfristig müssen wir darauf hinwirken, das System der digitalen Betriebsstätte in das globale Besteuerungssystem zu verankern, also in den entsprechenden Doppelbesteuerungsabkommen festzulegen. Somit können wir auch Unternehmensgewinne besteuern.


Die EU-Finanzminister haben sich kürzlich nicht auf Regeln zur Einführung einer ersten Stufe einer gemeinsamen Digitalsteuer bei Onlinegeschäften einigen können. Bemühungen dazu gibt es seit 2017, (Estland erstes Konzept) sie scheiterten bislang auch unter österreichischem Ratsvorsitz. Für einen Beschluss wäre, wie immer bei Steuerfragen, Einstimmigkeit erforderlich. Die EU-Finanzminister wollen nun eine Studie der OECD abwarten (2020). Offensive Vertreter zugunsten einer Besteuerung von Onlinegeschäften großer Internetfirmen, die derzeit praktisch kaum zu Steuereinnahmen beitragen, sind Frankreich und auch Österreich. Die größten Bremser in der Union sind vor allem jene Mitgliedsländer, die selber im Verdacht stehen, unfaire Steuerpraktiken auszuüben, bzw. negative Auswirkungen auf die Dynamik der digitalen Wirtschaft befürchten: Irland, Estland, Schweden und Dänemark. Österreich will nun eine Digitalsteuer auf nationaler Ebene einführen, als Pilotprojekt für künftige EU-Lösungen. Daher gehört die Einstimmigkeit im EU-Rat im Sinne einer demokratischen Entscheidung abgeschafft.


6. Fake News und Hate Speech sind zwar keine neuen Phänomene, durch das Internet wird aber beides deutlich sichtbarer und findet viel rascher eine viel größere Verbreitung. Gibt es hier aus Ihrer Sicht Handlungsbedarf? Wenn ja, welche Maßnahmen sehen sie auf nationaler, aber auf EU-Ebene als erforderlich an?

Desinformation durch ›Fake News‹ oder Hass im Netz sind eine große Gefahr für Europas liberale Demokratien. Besonders im Vorfeld der Wahlen zum Europäischen Parlament sind gezielte Desinformationskampagnen gegen die EU, ihre Organe und ihre Politik hochgefährlich. Wozu das führen kann, haben wir beim Brexit gesehen. Die schnelle Veränderung der eingesetzten Instrumente und Techniken macht eine ebenso schnelle Weiterentwicklung der Reaktion darauf erforderlich. Soziale Medien müssen da mehr Verantwortung übernehmen als bisher. Die Verbreitung des Videos des Attentats des Christchurch-Terroristen zeigt, dass da etwas nicht funktioniert. Terrorpropaganda und Hassreden müssen schnell gelöscht werden können.

Auf europäischer Ebene wurde auch der Aktionsplan zu Desinformation beschlossen, der etwa gemeinsame Maßnahmen gegen Desinformation und verstärkte Zusammenarbeit unter den Mitgliedstaaten sowie mit den sozialen Medien umfasst. Auf nationaler Ebene hat Österreich aktuell das digitale Vermummungsverbot auf den Weg gebracht, mit dem Ziel, Hass im Netz zu bekämpfen. Ich bin für das Prinzip: Was in der realen Welt geahndet wird, muss auch im Internet Folgen haben.


Der Handlungsbedarf ist groß. Das haben Brexit und die Wahl von Trump zum US-Präsidenten gezeigt: Das Internet wird immer mehr als Propaganda- und Desinformations-Werkzeug missbraucht. Das Geschäftsmodell von Facebook und Co. untergräbt dabei systematisch unsere Demokratie. Es braucht daher ein koordiniertes Vorgehen der EU gegen Falschinformation und Propaganda. In dem Zusammenhang ist auf jeden Fall zu begrüßen, dass der Auswärtige Dienst der EU hier tätig wird und eine Taskforce eingerichtet hat, um dem entgegen zu treten. Für die kommende EU-Wahl wird es aber zusätzlich notwendig sein, dass Mitgliedstaaten Informationen über Wahlbeeinflussung austauschen und auf zwischenstaatlicher Ebene kooperieren.

Wir müssen aber auch die Plattformen selbst in die Verantwortung nehmen. Das EU-Parlament hat nach den großen Datenskandalen hier bereits konkrete Schritte eingefordert. Facebook muss sich deshalb einer unabhängigen Prüfung unterziehen und politische Werbung sowie die Verbreitung von Inhalten durch Bots verbieten oder zumindest klar ausweisen. Auch mehr Transparenz bei der Werbung von Parteien wurde erreicht.
Grundsätzlich gilt es aber digitale Kompetenzen der BürgerInnen zu stärken sowie einen europäischen Rechtsrahmen für Datennutzung im politischen Bereich zu schaffen.


Man muss dabei wahnsinnig aufpassen, dass es nicht zu überschießenden Regelungen kommt, die zu Lasten der Meinungsfreiheit gehen. Man muss nicht alles zentral von Brüssel aus regeln. Grundsätzlich sehe ich kein Problem, wenn unterschiedliche Länder auch unterschiedliche Zugänge bei diesen Themen haben und diese in ihrem Gültigkeitsbereich auch umsetzen können.


Keine Technologie ist qualifiziert, um die schwierige Entscheidung zu treffen, die notwendig ist, um Hate Speech oder Fake News zu identifizieren. Indem wir uns ausschließlich auf die Technologie verlassen, helfen wir den Betroffenen nicht, und wir bringen die freie Meinungsäußerung zum Schweigen. Um das Problem zu lösen, brauchen wir Reformen im nationalen Bereich in Bezug auf Hate Speech und deren juristischen Verfolgung. Hass im Netz ist allgegenwärtig, bedrohlich und besonders häufig gegen Frauen gerichtet. Trotzdem können sie sich aufgrund der aktuellen Rechtslage in Österreich kaum dagegen wehren. Meistens sind private Klagen die einzige rechtliche Möglichkeit, dagegen vorzugehen. Das ist jedoch mit großem persönlichen und finanziellen Risiko verbunden – so eine Klage muss man sich erst einmal leisten können. Weiters muss es für Betroffene einfacher werden, Hate Speech online zu melden. Die Vorschläge der jetzigen österreichischen Regierung sind haarsträubend. Anstatt Hate Speech an der Wurzel zu packen, wurde ein Zensurgesetz mit dem ›digitalen Vermummungsverbot‹ geschaffen, das in die Privatsphäre der Bürger*innen eingreift und Menschen unter Generalverdacht stellt. Vorschläge von Expert*innen wurden dabei komplett ignoriert.

Die Europäische Kommission hat 2018 einen Vorschlag zur Bekämpfung gefälschter Nachrichten veröffentlicht. Dazu gehörte auch die Forderung nach einem zusätzlichen Urheberrecht für Nachrichtenseiten oder einer ›Link Tax‹. Durch diese wird die Verbreitung von Qualitätsjournalismus jedoch noch mehr eingeschränkt und kleine Verlage und Zeitungen werden benachteiligt. Infolgedessen werden die Innovation in der Branche und der Medienpluralismus beeinträchtigt. Das vielfältige und lebendige Nachrichten-Ökosystem wird behindert, das wir brauchen, um gefälschten Nachrichten wirksam zu begegnen.

Fake News kann auf europäischer Ebene nur durch Investitionen in europäischen Qualitätsjournalismus gekontert werden. Insbesondere Investigativjournalismus muss ein noch stärkerer Fokus werden. Dieser kann einen wesentlichen Beitrag gegen Desinformation im Internet leisten. Eine weitere Möglichkeit, Fake News einzudämmen, ist Regulation der Datensammelwut der Internet-Giganten. Das würde nicht nur unsere Privatsphäre schützen, sondern auch eine Möglichkeit ausschließen, gefälschte Nachrichten an die Anfälligsten zu liefern, und auch einen Teil des Werbemarktes an zufriedene Unternehmen wie die Zeitungen und Presseverlage zurückgeben.


Im Bereich der Hate Speech braucht es wenig inhaltlich neue Regelungen. Vielmehr geht es darum, eine schnelle Rechtsdurchsetzung der bestehenden Rechte zu gewährleisten. Dazu müssen der Justiz mehr Mittel zur Verfügung gestellt werden. Fake News sind ein ernstzunehmendes Problem. Wir müssen uns bewusst werden, dass Staaten wie Russland versuchen, sich mit Desinformationskampagnen in europäische Wahlen und Abstimmungen einzumischen. Es gilt daher, mehrere Maßnahmen dagegen zu setzten. Die effektivste Verteidigung gegen Manipulation sind gut informierte und ausgebildete Nutzer_innen. Es braucht Präventions- und Awarenesskampagnen über diese Manipulationsversuche sowie Investitionen in die Medienkompetenz der Bürger_innen.


EU initiierte Verhaltenskodex für Social-Media-Plattformen und die Werbebranche. Onlineplattformen sollen selbst stärker Desinformationskampagnen, unerlaubte politische Werbung, Fake Accounts und Bots, die falsche Meldungen fleißig verbreiten, ausfindig machen und löschen. Profilen und Websites, die Fake News streuen, sollen zudem die Werbeeinnahmen entzogen werden. Politische Werbung soll generell klar gekennzeichnet werden. Allerdings handelt es sich bei dem Verhaltenskodex um eine nicht rechtlich bindende Vereinbarung. Österreich hat einen Ministerialentwurf gegen Hass-Postings im Internet als nationales Gesetz auf den Weg
gebracht.

– Ab 2020 müssen sich alle Poster mit ihrem vollen Namen und ihrer Adresse registrieren.
– Um die Identifizierung sicherzustellen, müssen die User künftig ihre Handynummer angeben. Bevor man posten kann, erhält man dann eine SMS mit einem Code. Erst wenn dieser eingegeben wird, ist die Registrierung abgeschlossen.
– Anonymes Posten unter einem Nickname ist dann weiter möglich. Aber: Wenn das Posting strafrechtlich relevant ist (z. B. eine Morddrohung), muss der Plattformbetreiber Name und Adresse des Posters an die Polizei bzw. Staatsanwaltschaft weitergeben.

Das kommende Gesetz ist ein Schritt, um gegen den zunehmenden Hass im Netz aktiv zu werden. Auch wenn zu Recht darauf hingewiesen wird, dass es schwierig ist, Facebook, Twitter und Co. zu belangen. Diese Lösung ist jedenfalls ein erster Schritt und sollte in der gesamten EU eingeführt und auch in Übersee ›greifen‹ können.


7. Die Vorratsdatenspeicherung wurde 2014 vom EuGH aufgehoben. Nichts destotrotz finden sich in einzelnen Mitgliedstaaten immer wieder Vorstöße, eine ähnlich anlasslose Generalüberwachung durchzuführen. Wie stehen Sie dazu sowie zur Forderung mancher Mitgliedstaaten, verschlüsselte Kommunikation zu verbieten bzw. Provider dazu zu verpflichten, für die Strafverfolgung Hintertüren in ihre Services einzubauen?

In Österreich hat die Bundesregierung erst 2018 ein wichtiges Sicherheitspaket beschlossen, denn der rasante technologische Fortschritt erfordert eine Anpassung der gesetzlichen Ermittlungsmöglichkeiten, um die Handlungsfähigkeit der österreichischen Behörden sicherzustellen. Die Anlassdatenspeicherung ist dabei nur auf Anordnung der Staatsanwaltschaft und nach richterlichem Beschluss ausschließlich bei Verdacht von besonders schweren Straftaten möglich und auf den Anschluss einer bestimmten Person beschränkt. Bei der Anlassdatenspeicherung handelt es sich lediglich um ein Absehen von der Löschungsverpflichtung bereits existierender und schon gespeicherter Daten und ist daher vergleichbar mit jenen Fällen, in denen ein Kunde Einspruch beim Betreiber gegen eine Rechnung einlegt. Auch die Folgen der Anordnung der Staatsanwaltschaft im Rahmen der Anlassdatenspeicherung sind dieselben wie jene, in denen ein Kunde seine Rechnung beeinsprucht: Diese Daten dürfen vom Betreiber nicht gelöscht werden, sondern sind weiter zu speichern. Dies bedeutet jedoch nicht, dass die Daten damit auch bereits dem Zugriff der Strafverfolgungsbehörden unterliegen, vielmehr ist dafür ein zweiter Schritt erforderlich. Die Anlassdatenspeicherung ist daher von der Vorratsdatenspeicherung grundlegend
zu unterscheiden und wurde unter Berücksichtigung grundrechtlicher Anforderungen des VfGH und im Lichte der jüngsten Judikatur des EuGHs ausgearbeitet. Des Weiteren gibt es auch eine Informationspflicht gegenüber dem Betroffenen, auch wenn sich der Anfangsverdacht nicht erhärtet. Darüber hinaus sind derzeit keine weiteren Maßnahmen geplant oder vorgesehen.


Instrumente zur anlasslosen Massenüberwachung wie die Vorratsdatenspeicherung sind nicht mit der EU-Grundrechtecharta vereinbar. Es gibt ein klares Urteil vom EuGH, das eine klare rote Linie darstellt, die auch einzuhalten ist. Abgesehen davon müssen wir uns auch im Klaren darüber sein, dass eine solche Maßnahme nichts gegen die Bekämpfung von schwerer Kriminalität bringt. Man würde nur den Heuhaufen immer weiter vergrößern und hoffen, die Nadel darin zu finden. Verbietet man verschlüsselte Kommunikation, schwächt das alle und macht die ganze Welt unsicherer.


Wir werden uns in der EU fragen müssen, ob wir letztendlich chinesische Verhältnisse haben wollen oder – nach sorgfältiger Abwägung aller Interessen – im Zweifelsfall der Freiheit des Internets den Vorzug geben wollen. Dahinter steckt auch die wichtige Frage, ob wir unseren Bürgern mit einem grundsätzlichen Misstrauen begegnen und daher alle solchen Maßnahmen unterwerfen oder eben nicht.


Wir sind dagegen, die Privatsphäre von Bürger*innen weiter auszuhöhlen und fordern einen raschen Abschluss der e-privacy Richtlinie. Die Vorschläge der Bundesregierung zur Digitalpolitik gehen gerade alle in eine sehr ähnliche Richtung: Überwachung und Zensur. Wir haben im EU- Parlament für eine starke Position zur e-privacy Richtlinie gekämpft und fordern einen raschen Abschluss und Umsetzung:

– obligatorische, nicht nachverfolgbare Einstellungen, um ›Stalking‹ durch Werbetreibende zu verhindern;
– Schutz von Geräten (z.B. Handys oder Laptops) vor Verfolgung, aber auch vor dem Einhören in unsere physische Umgebung;
– ein Verbot der Standortbestimmung durch WLAN-Hotspots;
– obligatorische End-to-End-Verschlüsselung;
– ein Verbot der staatlichen Überwachung ›backdoors‹;
– ein Verbot der erzwungenen Zustimmung zur Verfolgung durch ›Cookie-Walls‹.
Leider sind die Verhandlungen dazu im Rat blockiert. Die österreichische Regierung hat versucht, während ihrer Ratspräsidentschaft die Richtlinie deutlich zu verwässern.


Eines muss klar sein. Absolute Sicherheit gibt es auch mit der Vorratsdatenspeicherung nicht. Die Sicherheitsbehörden leisten täglich einen sehr guten und wichtigen Beitrag zu unserer Sicherheit und können dazu bereits auf eine Vielzahl von Ermittlungsmaßnahmen zurückgreifen. Die Vorratsdatenspeicherung wurde aus gutem Grund aufgehoben – sie verstößt gegen das Grundrecht auf Achtung des Privat- und Familienlebens, das Grundrecht auf Schutz der personenbezogenen Daten und gegen das Prinzip der Verhältnismäßigkeit. Wir sind gegen diese Form der anlasslosen Generalüberwachung. Auch sind wir dagegen, verschlüsselte Kommunikation generell zu verbieten. Zugriffe auf verschlüsselte Messagingdienste dürfen nur nach einer richterlichen Entscheidung zulässig sein. Der erwähnten Verpflichtung für Provider, für die Strafverfolgung Hintertüren in ihre Services einzubauen, können wir nichts abgewinnen, weil diese Maßnahme missbrauchsanfällig ist.


Vorratsdatenspeicherung mit Datenschutz (aktuelle rumänische Ratspräsidentschaft). Neben den einschlägigen Arbeitsgruppen aus Justiz und Polizei im Ministerrat ist diesmal auch die Ratsarbeitsgruppe Datenschutz miteinbezogen. Mit gutem Grund, denn der Europäische Gerichtshof hatte die erste Vorratsdatenrichtlinie 2014 wegen schweren Grundrechtsverstößen rückwirkend annulliert. In einem zweiten Verfahren wurde dieser Spruch des EuGH 2016 dann noch präzisiert und durch unmissverständliche Erläuterungen ergänzt: eine anlasslose Verarbeitung und Speicherung der Metadaten sämtlicher Teilnehmer eines Kommunikationsdienstes zum Zwecke künftiger Strafverfolgung Einzelner gegen die EU-Charta verstößt, in der die Grundrechte festgeschrieben sind. Genau solche Maßnahmen aber sind jeder Vorratsdatenspeicherung inhärent, da sie – wie auch der Name sagt – ja auf zukünftige Straftaten verweist, die noch nicht begangen worden sind.

Die Initiative ›1EUROPA‹ ist strikt gegen jegliche Vorratsdatenspeicherung ohne unabhängige richterliche Kontrolle und entsprechender Berichtslegung. Auch bei möglichen klar definierten strafrechtlichen Komponenten bedarf es einer richterlichen Verfügung und einer unabhängigen Kontrolle. Unkontrollierten und unkontrollierbaren Hintertürchen ist eine Absage zu erteilen, ebenso wie einer unkontrollierten und nicht nachvollziehbaren belegten Datenverknüpfung. Eine Berichtslegung (national) und Überprüfung durch einen Datenschutzrat (national) sowie ein zusammenfassender Bericht sowie Evaluierung an das EU- Parlament sollten Pflicht sein.


8. Im Digitalbereich orientieren sich viele Legislativvorschläge der EU an den Möglichkeiten großer Unternehmen wie Google, Facebook & Co. Kleine und mittlere Unternehmen können angedachte Maßnahmen wie beispielsweise die einstündige Reaktionszeit im Rahmen der angedachten der Anti-Terror-Richtlinie keinesfalls erfüllen. Stärkt man damit nicht die Vormachtstellung der US-amerikanischen Internetgiganten und erstickt das Entstehen europäischer Konkurrenz im Keim?

Im Gegenteil – die Urheberrechtrichtlinie etwa war ein wichtiger Schritt im völlig asymmetrischen Wettbewerb mit den multinationalen Online-Giganten zur Herstellung gleicher Rahmenbedingungen für alle Marktteilnehmer. Darin werden die großen Online-Plattformen endlich zum Schutz des geistigen Eigentums in die Pflicht genommen, während etwa kleine, junge Unternehmen ausgenommen sind. Auch die Einführung von europaweit einheitlichen Datenschutzregeln nutzt kleinen und mittlere Unternehmen, weil vorher nur die großen Konzerne die Ressourcen hatten, 28 verschiedene Datenschutzregeln zu beachten. Es ist sehr wichtig, alle europäischen Gesetze einem ›KMUCheck‹ zu unterziehen, d.h. zu überprüfen, was bedeutet das für kleine Unternehmen, ist das für sie überhaupt machbar. Dafür kämpfe ich seit Jahren. KMUs sind schon jetzt von vielen Regelungen ausgenommen, aber umgekehrt kann es auch keine Generalausnahme für KMU geben.


Im EU-Parlament hat der Innenausschuss eine brauchbare Position abgestimmt, auch wenn die einstündige Reaktionszeit weiterhin ein Problem ist. Die S&D Fraktion hat sich in den Verhandlungen auf die Seite der Start-Ups gestellt, während die Konservativen ein Exempel statuieren wollen. Es ist uns gelungen, wichtige Ausnahmen für kleine Betreiber und den Schutz der Meinungsfreiheit festzuschreiben. Außerdem werden jegliche Filter in der Position des Ausschusses klar abgelehnt. Das Vorhaben ist allerdings noch nicht am Ende, die Verhandlungen mit Rat und EU-Kommission dauern noch an.


Ja, genau das wird wohl passieren. Solche Regelungen machen es kleineren Unternehmen oder Startups alles andere als leicht – mit ein Grund dafür, warum Europa sich schwer tun wird, hier aufzuholen.


Maßnahmen wie die einstündige Reaktionszeit sind unmögliche Forderungen, insbesondere für kleine Plattformen und private Websites, die unweigerlich zur Installation von Inhaltsfiltern, den #terrorfilters, führen. Wir haben bis jetzt gegen den Vorschlag gestimmt und werden auch weiterhin gegen den Vorschlag stimmen.


Ja, das ist zutreffend. Generell ist die Gesetzgebung manchmal nicht treffsicher. Man denke hier etwa an die Verpflichtungen der DSGVO. Ein Hauptziel der DSGVO war die Regelung des Umgangs mit Daten durch große Techkonzerne wie Facebook. Als Nebeneffekt sind jedoch nun auch kleine und mittelständische Unternehmen mit einer Regelungskomplexität und -dichte konfrontiert, die sie mit angemessen Ressourcen nur schwer bewältigen können.


Sie haben dem Grunde nach recht. Andererseits muss sich Europa auch von den US- Großkonzernen emanzipieren und diese unter starken bis drastischen Druck setzen. (Bei systematischen Verstößen gegen Entfernungsanordnungen können gegen Diensteanbieter finanzielle Sanktionen in Höhe von bis zu 4 % seines weltweiten Jahresumsatzes im vorangegangenen Geschäftsjahr verhängt werden) Die Differenzierung zu europäischen KMU‘s sollte gefunden werden. Die Kommission geht von rund 10.500 Providern aus, wobei die größte Gruppe – circa 9.700 – mittlere Unternehmen sind. Eine Ausnahmeregelung für KMUs wird schwer und die Einrichtung von rund um die Uhr erreichbaren Kontaktstellen erscheint notwendig, genauso wie die Löschung terroristischer Inhalte innerhalb von einer Stunde (siehe Beispiel Christchurch). Als Lösungsansatz könnten sich die europäischen KMU‘s hier auf einer Ebene zusammenschließen und dies durch die Errichtung einer gemeinsamen Stelle mit geteilten Diensten lösen. Wichtig dabei sollte jedenfalls auf alle Fälle die Einbeziehung einer Datenschutzstelle. Eine verpflichtende Evaluierung, eine Berichtslegungspflicht als Kontrollinstanz und die Wahrung der Grundrechte wie u.a. Meinungsfreiheit, e-privacy und DSGVO sind anzuwenden.


9. Im Bereich des Zugangs zum Internet ist ein Trend zur Re-Monopolisierung zu beobachten, der alternative Anbieter zunehmend unter Druck setzt bzw. aus dem Markt drängt, während gleichzeitig erwartet wird, dass diese in den Netzausbau investieren, um beispielsweise 5G zu ermöglichen Wie gedenken Sie den Wettbewerb im Internet zu sichern?

Eine leistungsfähige digitale Infrastruktur ist Grundvoraussetzung für den Fortschritt der Digitalisierung und den Einsatz digitaler Technologien wie autonomes Fahren oder Industrie 4.0. Der Zugang zu moderner Breitbandinfrastruktur ist ein sehr wichtiger Standort- und Wirtschaftsfaktor in Europa. Als Zwischenschritt auf dem Weg zum Gigabit-Netz ist es daher notwendig, das Ziel einer flächendeckenden Breitbandversorgung in Europa zu verfolgen. Das gilt auch für das Ziel, beim 5G-Ausbau an der weltweiten Spitze zu sein. Freier und fairer Wettbewerb ist aus unserer Sicht eine wichtige Grundvoraussetzung, der von strengen Wettbewerbsregeln und der Bundeswettbewerbsbehörde kontrolliert wird.

Um die Vielfalt kleinerer Anbieter zu erhalten, muss die Abwicklung der Breitbandförderung KMU-gerecht gestaltet werden. Großer Verwaltungsaufwand und komplizierte Antragsverfahren stellen für kleine und mittlere Unternehmen einen erheblichen Nachteil dar, da sie keine großen Rechtsabteilungen haben, die sich damit beschäftigen können. Dementsprechend setze ich mich dafür ein, den KMUs den Zugang zu den Förderungen zu erleichtern – nicht zuletzt damit hohe Übertragungsgeschwindigkeiten im Internet und 5G auch am Land ermöglicht werden.


Der Ausbau von Technologien in Österreich ist wichtig, aber es braucht auch mehr Investitionen in die Infrastruktur. Es gibt nach wie vor Regionen in Österreich, die bei 15mbit/Sekunde festhängen und von einem Ausbau der 5G-Technologie überhaupt nicht profitieren. Das ist ein strukturelles Problem, das wir angehen müssen. Die Europäische Investitionsbank könnte hier z.B. Mittel aus dem Fonds für strategische Investitionen sowie aus dem Connecting-Europe-Breitbandfonds zur Verfügung stellen, um vermehrt kleine und mittlere Projekte zu finanzieren, und einen Fokus auf Gebiete zu legen, in denen öffentliche Mittel am dringendsten benötigt werden. Wir wollen aber trotzdem auch die europäische Industrie vor den Vorhang holen und europäische Anbieter unterstützen.


Ich glaube, dass wir hier nur mit einem marktliberalen Ansatz an diese Dinge herangehen und auch die entsprechenden Erfolge eines effektiven 5G Netzausbaus erzielen können. Natürlich sollten Monopolstellungen weitgehend vermieden werden und dementsprechend sollte auch ein gewisses Grundvertrauen in das Kartellrecht sowie Experten vorherrschen. Auf der anderen Seite gilt auch hier der Spruch ›zu viele Köche verderben den Brei‹. Dahingehend könnte man keinen einheitlichen 5G Netzausbau erhalten, sondern einen Fleckerlteppich, der den Verbrauchern schlussendlich nichts bringt.


Das europäische Urheberrecht stammt aus dem analogen Zeitalter und müsste dringend auf einen Stand gebracht werden, der die aktuellen, schnelllebigen Entwicklungen berücksichtigt. Allerdings sind die genannten Maßnahmen ein Schritt in die falsche Richtung. Bei Upload-Filtern besteht die Gefahr, dass die Meinungsfreiheit massiv eingeschränkt wird. Ein Leistungsschutzrecht würde zu Eingriffen in die Informationsfreiheit führen und ist daher ebenfalls abzulehnen.


Wir brauchen ein digitales und zeitgemäßes EU-Wettbewerbsrecht, das die Monopolstellung der Großen zeitnah untersuchen und einschränken kann. Im Wettbewerbsbericht haben wir daher folgende Forderungen an die Kommission gestellt:
– Interoperabilität zwischen Online-Plattformen und Anbietern von sozialen Netzwerken absichern
– die Kontrolle der Daten, die für die Schaffung und Erbringung von Dienstleistungen erforderlich sind
– Überprüfung der Schwellenwerte, die den Ausgangspunkt für die Fusionskontrolle durch die EU bilden, und Forderung nach ihrer Anpassung an die Zahl der von Fusionen betroffenen Verbraucher*innen und nicht nur an den Umsatz. (Siehe Facebook/ Whats‘ up merger)
– Preisobergrenzen in Sektoren wie Online-Plattformen für Unterkunft und Tourismus überwachen
– eine Sektorenuntersuchung im Werbesektor einleiten
– vorläufige Maßnahmen innerhalb eines bestimmten Zeitrahmens erleichtern


Rasche Kommunikation und große Datenvolumen sind in unserer schnelllebigen Welt nicht mehr wegzudenken. Der Trend der Re-Monopolisierung, gegen die ›Großen‹, ist unseres Erachtens gerechtfertigt und sinnvoll, um eine ›gewinnorientierte Kartellstellung‹ zu vermeiden und das Grundbedürfnis Kommunikation für die Bürger*innen sicherzustellen. Die EU und die Mitgliedsstaaten stellen große Summen für den Netzausbau zur Verfügung. Die Werbung spricht dann nur z.B. in AT »Fa XY investiert in den Netzausbau für ein noch rascheres Netz ...« ohne jedoch hinzuweisen, dass über 50% der Mittel aus EU und Ministerien stammen ... Die Grundinvestitionen in Infrastruktur sollten daher von allen Unternehmen gemeinsam getragen werden und die Nutzungen tariflich Bürger*innen freundlich gestaltet werden. Der Markt muss auch das Unternehmer-Risiko tragen können.


10. Was könnte die EU tun, um hinkünftig eine Vormachtstellung in der globalen Digitalwirtschaft einnehmen zu können?

Europa muss sich als ›Innovation Leader‹ an die Spitze dieser technologischen Entwicklung stellen und die digitale Revolution anführen. Dafür braucht es mutige Investitionen in Innovation und Forschung. Die Forschungspolitik ist ein ganz zentraler Schlüssel dazu. Da muss mehr geschehen. Zum Anschieben von Investition hat die EU erst vor wenigen Wochen unter meiner Verhandlungsführung das neue ›InvestEU‹-Programm beschlossen, das auch im Bereich von Innovationen und Großprojekten neue Finanzierungsmöglichkeiten eröffnet.

Außerdem müssen wir mutig unsere Arbeits-, Bildungs- und Forschungspolitik überdenken. Der flächendeckende Breitbandausbau ist auch Voraussetzung dafür, verlorene Industrien und Arbeitsplätze nach Europa zurückzuholen und den ländlichen Raum zu stärken. Auch im Bereich der öffentlichen Verwaltung bietet die Digitalisierung enorme Chancen für ein verbessertes, digitales Service für Bürger und Unternehmer.

Darüber hinaus müssen wir vor allem im Bildungsbereich europaweit die Digitalisierung in den Unterricht integrieren, um die kommenden Generationen bestmöglich auf das digitale Zeitalter vorzubereiten. Damit stärken wir auch nachhaltig unseren Wirtschaftsstandort. Die Googles, Facebooks oder Apples von morgen sollen aus Europa kommen.


Mehr Geld in die Hand nehmen! Ohne große Investitionen wird es keinen Fortschritt geben. Außerdem müssen wir bei der Bildung ansetzten, um die digitale Kompetenz vom Kindergarten an zu fördern. Seminare für alle Altersgruppen sollten allen Teilen der Gesellschaft ermöglicht werden. Wenn wir besser über die Funktionsweise unserer digitalen Begleiter Bescheid wissen, ist das ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. So können wir auch die Sensibilität für personenbezogene Daten stärken.


So gut wie keines der großen Digitalunternehmen kommt aus der EU. Das sollte uns zu denken geben. Die Mentalität in Europa, alles zunächst einmal möglichst eng zu regeln, steht der Entwicklung von digitalen Startups zu erfolgreichen, global agierenden Unternehmen jedenfalls entgegen. Dazu kommt, dass Europa im Vergleich zu den USA ganz offensichtlich weniger attraktiv für Talente ist.


Die Übernahme einer Führungsrolle ist der nächste Schritt. Zuvor müssen wir sicherstellen, dass wir über ein Mindestmaß an Wissen für alle Bürger*innen und über flächendeckende und qualitativ hochwertige Verbindungen sowie über eine industrielle Basis verfügen, die die Produkte und Dienstleistungen für die digitale Wirtschaft bereitstellen kann.

Der digitale EU-Binnenmarkt ist noch immer stark fragmentiert. Es braucht einen Harmonisierungsprozess, neue Finanzinstrumente und die Kooperationsbereitschaft der Mitgliedstaaten. Steuern und Cybersecurity sind wichtige Themen, um die sich die EU so bald wie möglich kümmern muss, wenn wir in diesem Bereich international konkurrenzfähig bleiben wollen.


Europa liegt leider jetzt bereits hinter den USA und China zurück, die hier die klare technologische Führung eingenommen haben. Hier muss die EU mit einem Schwerpunkt der gemeinsamen Forschungspolitik und den dort kompetitiv vergebenen Mitteln gegensteuern. Weiters braucht es eine gesamteuropäische Initiative für die vorausschauende Regulierung disruptiver Technologien, um das volle Innovationspotential nutzen zu können und möglichst gute Rahmenbedingungen für Investor_innen und Forscher_innen zu schaffen. Dazu sollen auf europäischer Ebene so schnell wie möglich sogenannte regulatory sandboxes geschaffen werden, in denen Unternehmen und Politik gemeinsam Erfahrungen mit neuen Technologien sammeln können. Regulierungen müssen flexibel genug gestaltet werden, dass sie auf möglichst viele Technologien effektiv angewendet werden können und nicht bereits vom technologischen Fortschritt überholt worden sind, wenn sie in Kraft treten. Zudem fordern wir eine bessere Koordination und das Teilen von Best-Practices beim Thema KI, insbesondere in den Bereichen Forschung, Entwicklung von Talenten, Zukunft der Arbeit, Industrie und Verwaltung, Inklusion, Ethik, Daten und digitale Infrastruktur. In puncto Blockchain-Technologie müssen für private Investor_innen und Unternehmer_innen europaweit klare Regeln und Möglichkeiten geschaffen werden. Gerade im öffentlichen Bereich gibt es eine Vielzahl von Anwendungsbereichen für Blockchains. Die europäische Bürokratie könnte hier in der Anwendung zum Vorreiter werden und die Weiterentwicklung und Effizienzsteigerung von Verwaltungssystemen in der gesamten Union vorantreiben.


Unseres Erachtens besteht die einzige Möglichkeit in Investition in Forschung und Bildung in Europa. Auch sollten europäische, im Ausland tätige Forscher*innen zurückgeholt und internationale Forscher*innen für den Standort Europa gewinnen zu sein. Das Know-how muss wieder europäisch werden: Ein Vorhaben wie ein europäisches Institute of Technology als Netzwerk der wissenschaftlichen Spitzeneinrichtungen, bei dem Österreich von Anfang an dabei sein sollte, wurde bereits national angedacht, scheiterte jedoch an den benötigten nationalen Mitteln. Auch sollte Europa nicht seine Innovationen an derzeitige Marktführer ›günstig‹ hergeben oder via Beteiligungen aufkaufen lassen.